Die Weltbevölkerung wächst, verbunden mit einer zunehmenden Verstädterung und Bautätigkeit. Schon heute ist der Werkstoff Glas mit seinen vielen innovativen Eigenschaften aus der modernen Architektur nicht wegzudenken. Die vom 15. bis 18. Juni 2021 in Düsseldorf stattfindende Leitmesse glasstec greift neueste Glastrends rund um Formen, Formate und Strukturen auf.
Glas in der modernen Architektur
Weltweit wachsen die Städte. Bereits heute leben auf der Erde knapp 8 Milliarden Menschen. Im Jahre 2050 werden es laut diverser Projektionen rund 9,7 Milliarden Menschen sein. Der größere Teil davon lebt dann in Gebieten, die allgemein als Wachstumsregionen bezeichnet werden, also in Asien, Lateinamerika sowie auf dem afrikanischen Kontinent. Und das Gros der Menschen wird nach diesen Schätzungen in Städten und Metropolen wohnen. In den kommenden Jahren wird es auf der Erde rund 600 Millionenstädte* geben, viele davon in Asien. Dies stellt nicht nur die Architektur vor enorme Herausforderungen. Vor allem dem Werkstoff Glas kommt hier als Baustoff eine hohe Bedeutung zu. Aber die Gläser müssen multifunktional sein.
Wenn Städte wachsen, dann dehnen sie sich nicht nur in der Fläche aus, denn Grund und Boden sind oft begrenzt. Die Häuser schießen in die Höhe. In Zeiten der Globalisierung müssen Gebäudeobjekte meist internationalen Standards entsprechen, egal ob sie in Frankfurt oder Singapur gebaut werden. Ein Beispiel hierfür sind die Anforderungen an die Nachhaltigkeit – Stichwort Green Building.
Trotz hoher Standards dürfen aber die Baukosten nicht aus dem Ruder laufen. Großflächig eingesetzte Scheiben oder Glasfassaden bieten hier als Baustoff enorme Möglichkeiten, denn es lassen sich in Kombination mit dem Werkstoff Stahl teils sehr filigrane Formen für die Gebäudehülle realisieren. Allgemein gilt Glas heute in der modernen Architektur als dominierender Baustoff, der optische Akzente setzt und gleichzeitig multiple technische Funktionen bietet. Egal ob Wärme-, Sonnen- oder Schallschutz, Designkomponente, Sicherheitsglas oder als Teil von Solaranlagen – für jede Anwendung bietet die Industrie passende Gläser mit individuell konfigurierbaren technischen Werten. Besonders vor dem Hintergrund des Klimaschutzes hat energiesparendes Bauen heute in der Architektur eine sehr hohe Priorität. Auch hier kann Glas als ausfachendes Element oder als tragendes oder umhüllendes Bauteil punkten.
Unschlagbar beim Werkstoff Glas ist immer wieder das Argument der Transparenz, denn natürliches Tageslicht trägt entscheidend zum Wohlbefinden – Wellbeing – der Menschen bei. Glas wird auch zunehmend „intelligent“, denn mit Einbindung in die Hausnetzwerke lassen sich mit Gläsern beispielsweise interaktive Fassaden realisieren, die gleichermaßen nach außen wie auch innen wirken. Oder Gläser werden durch Anbindung an die Regeltechnik zur „Medien- und Schaltzentrale“, über die sich diverse Funktionen im Gebäude steuern lassen.
Neben dem eigentlichen Primärnutzen des Fensters werden von Architekten und Bauherren zunehmend differenzierte Zusatzfunktionen verlangt. Meist sind es anwendungsbezogene und bauphysikalische Lösungen. Allgemein spricht man heute daher zunehmend von Funktionsfenstern und -fassaden.
Beispiele für innovative Glasentwicklungen
Ein ganz wichtiges Thema in der Architektur mit Glas ist die besagte Energieeffizienz. Das Projekt „cube berlin“ beispielsweise zeigt, wie sich innovative Architektur und Energieeffizienz perfekt miteinander koppeln lassen. Bei diesem Gebäude ist durch Verwendung einer hinterlüfteten Doppelfassade der Energieverbrauch geringer als bei herkömmlichen Bürogebäuden. Die Doppelfassade lässt nicht nur natürliches Tageslicht ein, sie bietet zugleich auch einen wirksamen Schutz vor (solarem) Wärmeeintrag und sie ermöglicht den Bewohnern eine natürliche Belüftung. Um eine übermäßige Aufheizung des Fassadenzwischenraumes zu vermeiden, wurden für die Außenhaut Sonnenschutzbeschichtungen und solarabsorbierende PVB-Folien verwendet. Eine weitere Herausforderung waren die strukturellen Anforderungen an das Glas. Diese erforderten das Hinzufügen einer weiteren strukturell wirksamen Zwischenfolie, die mit der solarabsorbierenden PVB-Folie kompatibel sein musste. Diese Lösung ist eine Neuentwicklung. Durch Hinzufügen der zusätzlichen strukturell wirksamen Folie wurde die Kantenstabilität erhöht und zugleich das Risiko einer Delaminierung sowie der Vergilbungsindex verringert.
Aber Glas in der modernen Architektur kann natürlich noch viel mehr. Wenn niedrige Gewichte gefordert sind, kommt künftig häufiger Vakuum-Isolierglas ins Spiel. Modernes Vakuum-Isolierglas beispielsweise besteht aus zwei mindestens je drei Millimeter dicken Scheiben, die jeweils eine hochisolierende Beschichtung erhalten und durch eine Vakuumschicht von 0,1 Millimeter voneinander getrennt sind. Dieses Glas dämmt mit einem Ug-Wert von 0,4 bis 0,7 W/(m²K) besser bzw. ebenso gut wie eine Dreifach-Wärmedämmverglasung, wiegt aber allein beim Glasanteil ein Drittel weniger und ermöglicht so deutlich schmalere Profile.
Bei Hochhäusern spielt das Thema der Fenster- und Fassadenreinigung eine wichtige Rolle. Mit selbstreinigendem Glas lassen sich hier langfristig Kosten einsparen. Pyrolytische Spezialbeschichtungen machen die Verglasung äußerst langlebig und nutzen die UV-Strahlung, um organischen Schmutz innerhalb weniger Tage zu zersetzen. Beim nächsten Regen werden die Rückstände einfach abgespült.
Geht es um Sonnenschutz in großflächigen Fassaden, sind vor allem hochselektive Verglasungen gefragt, die möglichst viel Tageslicht ins Gebäude lassen, aber die Klimalast durch effektiven Sonnenschutz minimieren. Mehrfach silberbeschichtete Gläser lassen trotz starken Sonnenschutzes viel sichtbares Tageslicht in den Raum. Mit einem Ug-Wert von 1,0 W/(m2K) bei Zweifach-Isolierglas oder 0,5 W/(m2K) bei Dreifachaufbauten schützt solch eine Verglasung vor dem Auskühlen der Räume bei kalten Temperaturen.
Um die Aspekte Tragfähigkeit und Durchbruchsicherheit geht es primär beim Verbundsicherheitsglas, das durch spezielle PVB-Folien bis zu hundertmal belastbarer wird als bei Verwendung herkömmlicher PVB-Folien. Gleichzeitig wird die Eigenfarbe des Glaslaminats selbst bei dicken Aufbauten nicht verfälscht. Unter Last weist solch ein Produkt eine vergleichsweise geringe Glasbiegung auf, wodurch es insgesamt tragfähiger ist. Unter bestimmten Bedingungen kann sogar der Vorspannprozess entfallen.
Ein ganz anders Thema ist die Transluzenz, also Blickdichtigkeit von Gläsern. Bei Gläsern mit dieser Eigenschaft können Nutzer zwischen durchsichtig oder nicht durchsichtig wählen – egal ob die Gläser im Innen- oder Außenbereich angebracht sind. Dieser Effekt lässt sich beliebig oft wiederholen, denn Flüssigkristalle, die sich in einer leitenden Schicht befinden, sorgen für den Wechsel. Sobald elektrische Spannung erzeugt wird, wechselt das Glas augenblicklich von opak zu transparent. Nach dem Ausschalten der Stromversorgung ordnen sich die Kristalle wieder neu und das Glaselement erhält wieder seine opake Glasfläche.